between women. britische filmmacherinnen im london der 1990er jahre
Ein Programm, kuratiert von Sarah Pucill in Zusammenarbeit mit Karola Gramann und der Kinothek Asta Nielsen. Die Idee dazu entstand im Gespräch beim Festival Courtisane in Gent 2021.
Das Programm umfasst Filme britischer Künstlerinnen aus dem London der 1990er Jahre. Es zeigt sie durch das Objektiv meiner eigenen Filme und der meiner Mentorin und zu jener Zeit Lebensgefährtin, Sandra Lahire, die 2001 starb. Die neben- und miteinander arbeitenden Filmmacherinnen werden als Teil eines Dialogs zwischen Filmen präsentiert, die in der London Film-Makers' Co-op und in deren Umkreis entstanden. Filme, die Sandra inspiriert haben und unabhängig von ihr auch meine Arbeit. Filme in London lebender Filmmacherinnen, die Seite an Seite mit Sandra Lahire tätig waren, wie Anna Thew, Tina Keane, Ruth Novaczek und Lis Rhodes, sind in das Programm aufgenommen, um Zusammenhänge sichtbar werden zu lassen. Filmmacherinnen, die mir nahestehen, gehören ebenfalls zur Auswahl, Jayne Parker, Nina Danino, Tanya Syed und Sarah Turner. Vielfältige Verbindungen mögen sich auf die eine oder andere Weise, manchmal auch nicht, herstellen. Meine eigenen Filme und die Sandra Lahires entstanden in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen und entsprechend unterscheiden sie sich auch in Tempo und Rhythmus. Nichtsdestoweniger gibt es einige Gemeinsamkeiten, etwa die Verwendung von Mikro- und Nahaufnahmen, Animation und Fotomontage dort, wo Körper ins Spiel kommen. Oder allgemeiner gesagt, das Thema Körper, möglicherweise in Krise, Körper im feministischen Protest, fähig zu essen oder nicht zu essen, in Befreiung aus Zuständen von Angst und Schmerz unter Lust und Leidenschaft. Auch Filme, die sich im Expressiven verlieren, widmen ihre Aufmerksamkeit immer gleichermaßen der Ästhetik der Filmaufnahme, und Schönheit mag unseren Arbeiten bei allem, was sie trennt, vereinen.
Das Thema eines feministischen und queeren Blicks verbindet viele der Filme und der Filmmacherinnen, bei denen sich Arbeit und Leben überschneiden. Doch was auch immer die Filme thematisieren, die Auseinandersetzung mit der Form ist ebenso zentral. Ähnlich wie im poststrukturalistischen Film werden Konventionen nicht allein aufgebrochen, sondern zu neuen Ausdrucksweisen re-konfiguriert. Das setzt den Akzent auf die Filmsprache, die es noch einmal zu erfinden gilt, ohne die Strenge des rein strukturalistischen Films, der die Londoner Szene in den 1970er Jahren beherrschte. Poststrukturalistischer Film hingegen wollte in visueller Verführung schwelgen, neben Wort und Geschichte auf abstrakten Ebenen, nicht anstelle. Fast alle Filme wurden auf 16 mm Celluloidfilm gedreht.
Das Thema Between Women, Unter Frauen, bestimmt die Auswahl der Filme, denn es benennt den Grundstein feministischen, möglicherweise queeren Aktivismus‘, Praxis und Theorie.
(Sarah Pucill – Übersetzung von Heide Schlüpmann und Karola Gramann)
do 31/08 20:30 | between women. pt 1: kampf und stärke (screening im dff)
Eine Fokussierung auf Körperpolitik zieht sich durch alle Filme des Programms. Einfach und direkt sprechen sie das Thema an. Arrows (1984), You be Mother (1990), She Wanted Green Lawns (1989) und Chameleon (1990), die zu Beginn laufen, mögen in furchtloser und selbstvergessener Lust einem Ausdrucksdrang folgen. Und doch legen alle einen erfinderischen Umgang mit der Filmsprache an den Tag, er ist Teil einer Studie zur Körperpolitik; manchmal werden Bedeutungen oder Fragen offensichtlich, wie in Arrows, der die konventionelle Geschlechterpolitik buchstäblich in Stücke reißt. In anderen Filmen wiederum bleibt der Faden der Untersuchung mehr im Hintergrund, wie in You be Mother, Milk and Glass (1993), K (1989), and Chameleon, in ihnen ist Sichtbarkeit eine Form des Schweigens, Verschweigen ein Teil dessen, was sie zeigen. In allen Arbeiten dienen Techniken der Animation, der Performance, Bildtechniken und Kamerachoreografie dazu, zurückzunehmen, wie wir normalerweise über das, was wir sehen, denken. Die letzten vier Filme setzen Worte so ein, dass sie, was wir sehen, konterkarieren oder sich ihm verbinden. Mit messerscharfer Präzision im Schnitt führen Wortspiele in A Tale Part Told, She Wanted Green Lawns, 50:50 (1998) und in Running Light (1996) erfolgreiche Attacken auf alles Rationale in der kapitalistischen Zurichtung des menschlichen Körpers.
(Sarah Pucill – Übersetzung von Heide Schlüpmann und Karola Gramann)
Ein Programm in Zusammenarbeit mit der Kinothek Asta Nielsen. Kuratiert von Sarah Pucill (Filmauswahl) und Karola Gramann. Mit Dank an Sarah Pucill, LUX (London, Hanan Coumal) und Light Cone (Paris, Miguel Armas) für die Bereitstellung der Filmkopien. In Anwesenheit von Sarah Pucill und Karola Gramann.
Arrows
R: Sandra Lahire, digital, farbe, ton, 15 min, 1984
You Be Mother
R: Sarah Pucill, 16mm, farbe, ton, 7 min, 1990
Milk and Glass
R: Sarah Pucill, 16mm, farbe, ton, 8 min, 1993
K
R: Jayne Parker, 16mm, s&w, ton, 13 min, 1989
Chameleon
R: Tanya Syed, 16mm, s&w, ton, 4 min, 1990
A Tale Part Told
R: Sarah Turner, digital, farbe, ton, 3 min, 1991
She Wanted Green Lawns
R: Sarah Turner, digital, s&w, ton, 4 min, 1989
50:50
R: Ruth Novaczek, digital, farbe, ton, 6 min, 1998
Running Light
R: Lis Rhodes, digital, s&w, ton, 15 min, 1996
do 07/09 20:30 | between women. pt 2: tod, trauer und schönheit (screening in der pupille)
In jeder dieser fein abgestimmten Arbeiten gehen Wort, Bild, Ton und Musik eine Synthese ein, münden in einem Fest visuellen und auditiven Genusses. Jeder Film legt eine Virtuosität der Komposition an den Tag, die charakteristisch für ein handwerkliches 16 mm-Filmmachen ist, wie es die London Film-Makers' Co-op kennzeichnet. In Night Dances (1995) und Behind Closed Doors (1988) wird der optische Printer buchstäblich Bild für Bild eingesetzt, um eine Doppelbelichtung oder Überblendung zu erzielen sowie auch eine Verlangsamung oder Stillstellung des Bildes.
In jedem Film spielt der Tod eine Rolle, in Gestalt von Selbstmord (Lady Lazarus (1991)), Trauer um eine Gestorbene (Night Dances + Behind Closed Doors) oder in einer eigentümlichen Verbindung beider (The Whirlpool (1997)). Ein Gefühl entsteht, als würde die Orientierung durch einen Tod auf den Kopf gestellt; in Lady Lazarus wird der Schmerz als Selbstverletzung – ein Schnitt durch den Daumen – inszeniert (mithilfe von Tomatenketchup); in The Whirlpool sprechen Klavierspiel und Tanz unter Wasser zu- und voneinander, in Night Dances tanzen zwei Frauen auf einem Boot, um sich miteinander und mit einer toten Mutter zu verbinden, und in Behind Closed Doors wird der nackte tote Körper einer Mutter (die Filmemacherin) von ihrer Tochter aus dem Wasser gezogen. Der Fluss von Wasser und Licht, Nabelschnur und Notenfolge, alle tanzen zusammen in einer Poesie der Worte und Bilder.
Aus dem Innern spricht eine Beziehung von Frau zu Frau; in Lady Lazarus eine feministische Liebe zur Poesie, die dem Patriarchat widersteht und koste es den Tod, in Night Dances der Verlust der Mutter und in The Whirlpool auch wieder eine Liebe zur Kunst auf Kosten des Lebens... alles Mutmaßungen, Teil der Herausforderung, die die Werke darstellen, aber es darf gesagt werden, dass es eine Frau zu Frau-Verbindung gibt, die in jedem Werk die Verknüpfung zwischen den Zeitebenen bildet. Die ästhetische Arbeit ist in diesen Filmen eine Arbeit der Überwindung und Transformation in Filmpoesie.
(Sarah Pucill – Übersetzung von Heide Schlüpmann und Karola Gramann)
Ein Programm in Zusammenarbeit mit der Kinothek Asta Nielsen. Kuratiert von Sarah Pucill (Filmauswahl) und Karola Gramann. Mit Dank an Light Cone (Paris, Miguel Armas), Anna Thew und LUX (London, Hanan Coumal) für die Bereitstellung der Filmkopien. In Anwesenheit von Sarah Pucill und Karola Gramann.
Behind Closed Doors
R: Anna Thew, 16mm, farbe, ton, 14 min, 1988
Lady Lazarus
R: Sandra Lahire, digital von 16mm, farbe, ton, 25 min, 1991
Night Dances
R: Sandra Lahire, digital von 16mm, farbe, ton, 15 min, 1995
The Whirlpool
R: Jayne Parker, digital von 16mm file, farbe, ton, 9 min, 1997
fr 08/09 15:30 | between women. pt 3: abweichende schönheit (screening in der pupille)
Die Filme dieses Programms steuern durch Territorien des Abweichenden. Jeder Film zeigt eine Bewegungsenergie; das Steigen und Fallen eines Skilifts (Eerie (1992)), eine Frau, die kopfüber hängt (Deviant Beauty (1996), Swollen Stigma (1997)), Haarwuchs (Backcomb (1995)) oder eine geschmeidig agierende Kamera, die eine Bewegung unterbricht und zu einer anderen weitergeht, um imaginäre Zwischenräume zu schaffen (Salamander (1994)/Chameleon (1990)) oder ein Rauschen der Kamera und Stimme als Stimme und Gesang in Stabat Mater (1990). Oder einfacher, eine Fahrt auf der Straße, die kein Ende nehmen will (50:50 (1998)). Jeder Film bringt eine Frau-zu-Frau Beziehung ins Spiel, Spannung und Energie zwischen Sexualität und Spiritualität. Jede individuell konstruierte Filmstimme artikuliert sich durch einen eigenständigen, fantasievollen und einzigartigen formalen Einfall.
In Eerie "verbindet ein magischer Loop Berliner Lesben-Dekadenz mit einem Liebeserwachen in der Seilbahn, hoch über den Hängen des Pilatus. Inspiriert in den Kameraüberblendungen vom deutschen expressionistischen Film." (Sandra Lahire). Deviant Beauty "Die surreale Reise einer androgynen Frau durch das Karnevaleske. Deviant Beauty verkörpert Betrachter, Erotik, Sexualität, Tod und Dekadenz. Er hinterfragt unsere Erwartungen und unsere Lust an Bildern angesichts von Tod und Leere, die unter der verführerischen Oberfläche liegen." (Tina Keane). Swollen Stigma "suggeriert anschwellende Geschlechtsorgane, polymorph verschoben, in Bildern von Blüten, die sich entfalten, gepflückt und entblättert werden und am Ende im roten Saft der Blätter kommen. Die feine Grenze zwischen Lust und Schmerz evoziert eine Frau, die ihre Zunge in Blütenöffnungen senkt und die Nervenenden auf ihrer eigenen Haut spürt. Aufgeblasene Makroaufnahmen ihrer Pupille lassen den Blick der Zuschauerin mit den Visionen der Frau verschmelzen, mit dem Phantom einer zerbrechlichen puppenhafte Frau." (Sandra Lahire). Stabat Mater "öffnet und schließt mit zwei Klagegesängen, dazwischen bricht ein atemloser Sturm von Worten und Sätzen los, eine Re-Zitieren des ewig Weiblichen in Joyce´ Ulysses, ein Widerhall des jubilierend/fieberhaften Sturzflugs der Kamera durch eine mediterrane Landschaft" (Jo Comino). Salamander: "Der Film ist in einem Schnellimbiss am Rand eines Kreisels gedreht, der dichte Verkehr, Licht und Ton, versetzen in den Raum des Träumens. Projektionen von Wunsch und Ort graben sich in die nächtliche Stadt." (Tanya Syed). Drive She Said, "Der europäische Zwilling von 50:50 zum Song von Rachid Taha’s ‘Ya Rayah' ist ein kurzes Roadmovie, eine Studie zu Exil und Zugehörigkeit. ´Fahr‘, sagte sie, fahr einfach, fahr bis ans Ende der Straße und Straßen, die kein Ende haben." (Ruth Novaczek) "In Backcomb wird das Dämonische im häuslichen Raum entfesselt. Es nimmt die Gestalt von zwei der schlichtesten Zeichen von Weiblichkeit an, von Haar und Stickerei, die hier dazu dienen eine sexualisierte, queere surrealistische Erfahrung zu schaffen." (Ruby Rich)
(Sarah Pucill – Übersetzung von Heide Schlüpmann und Karola Gramann)
Ein Programm in Zusammenarbeit mit der Kinothek Asta Nielsen. Kuratiert von Sarah Pucill (Filmauswahl) und Karola Gramann. Mit Dank an Light Cone (Paris, Miguel Armas) und LUX (London, Hanan Coumal) für die Bereitstellung der Filmkopien. In Anwesenheit von Sarah Pucill und Karola Gramann.
Eerie
R: Sandra Lahire, digital von 16mm, s&w, ton, 1 min, 1992
Deviant Beauty
R: Tina Keane, digital, farbe, ton, 10 min, 1996
Swollen Stigma
R: Sarah Pucill, 16mm, farbe, ton, 20 min, 1997
Stabat Mater
R: Nina Danino, 16mm, farbe, ton, 8 min, 1990
Backcomb
R: Sarah Pucill, 16mm, farbe, ton, 6 min, 1995
Salamander
R: Tanya Syed, 16mm, farbe, ton, 12 min, 1994
Drive She Said
R: Ruth Novaczek, digital, farbe, ton, 4 min, 1998
sa 09/09 14:30 | between women. pt 4: sarah pucill. vertikale zeit (screening im dff)
Das Programm besteht aus drei Filmen von Sarah Pucill, in denen sowohl SP als auch die Filmemacherin Sandra Lahire auftreten. Der letzte Film Double Exposure wird hier als Weltpremiere präsentiert.
Sich überschneidende Zeitrahmen – was ich als vertikale Zeit bezeichne – sind in jedem der Filme des Programms zu finden, speziell in Cast (1999) dort, wo ich Sandras Körper ins Meer trage, so als wüsste ich, dass ihr Tod unmittelbar bevorsteht.
Cast schafft einen klaustrophobischen, gespenstischen Raum, Menschen und Dinge dringen in Welten ein, zu denen sie normaler Weise nicht gehören. Leblose Puppen häufen sich in Schubladen, aufgeputzte lebensgroße Figuren liegen regungslos auf einem windigen Strand am Rand des Wassers; ein Stuhl schaukelt in einem leeren Raum, ein Spiegel reflektiert und beobachtet, und die Schubladen eine Kommode werden von der See liebkost. Stages of Mourning (2003). Ein Trauerprozess wird durch eine Performance vor der Kamera ritualisiert. Im selben Maße, wie der Film eine Meditation über einen Umgang mit Verlust ist, erforscht er auch, wie der Film unser Verhältnis zum Tod verändert. Der Film untersucht zwei Aspekte des In Szene-Setzens: Beides, den Trauerprozess, der einem zutiefst Inneren angehört und die materielle Bühne, auf der für ein Publikum Theater ‚gespielt‘ wird, etwas augenscheinlich Äußeres und Fiktionales. Double Exposure (2023), der als Weltpremiere im Rahmen von exf f. präsentiert wird, nimmt die Neu-Inszenierung früher fotografischer Tableaus wieder auf, die mich zusammen mit Sandra Lahire vor ihrem Tod zeigen und die sich Stages of Mourning schon einmal zu erforschen vornahm – nun 22 Jahre später. "In Wiederaufnahme eines Verfahrens der beseelten Filme Pucills (Magic Mirror (2013) und Confessions to the Mirror (2016)), arbeiten hier Lahire in Performance vor der Kamera, Klavierspiel und in Zeilen aus einem fragmentarischen Text mit der Filmmacherin zusammen, die auf diese Weise die Möglichkeit erforscht, in einer Performance vor der Kamera mit Lahire im Raum-Zeit Rahmen des Films (in der vertikalen Zeit) zusammen zu sein." (Theo Gordon) Nach dem Film wird es ein Gespräch zwischen der Filmemacherin und Margherita Sprio (Reader at Westminster School of Arts, College of Design, Creative and Digital Industries, University of Westminster) geben.
(Sarah Pucill – Übersetzung von Heide Schlüpmann und Karola Gramann)
Ein Programm in Zusammenarbeit mit der Kinothek Asta Nielsen. Kuratiert von Sarah Pucill (Filmauswahl) und Karola Gramann. Mit Dank an Sarah Pucill, Francisco Algarín Navarro, LUX (London, Hanan Coumal) und Light Cone (Paris, Miguel Armas) für die Bereitstellung der Filmkopien. In Anwesenheit von Sarah Pucill und Karola Gramann.
Cast
R: Sarah Pucill, 16mm, s&w, ton, 18min, 1999
Stages of Mourning
R: Sarah Pucill, 16mm, s&w, farbe, ton, 19 min, 2003
Double Exposure
R: Sarah Pucill, dcp von digital und 16mm, farbe und s&w, ton, 28 min, 2023 – (beinhaltet fotos+16mm aus den 90ern) world premiere
di 19/09 20:15 | between women. pt 5: ästhetischer schmerz (screening in der pupille)
Sandra Lahires zweiter Film Edge (1986) passt als Vorspiel zu Johnny Panic (2000), der ihr wichtigster und zugleich letzter Film ist. Beide Filme bieten einen bahnbrechenden, unerschrockenen Angriff auf Patriarchat und Kapitalismus. Wo Hollywood in der Rechtefrage scheiterte, gelang es Sandra Lahire, die Stimme Sylvia Plaths verwenden zu dürfen. Die Filmmacherin schrieb zu Edge: "Krieg und Gewalt gegen Frauen in Videos und in den Nachrichten. Der Kurzfilm trägt den Titel von Sylvia Plaths letztem Gedicht und handelt von der Frau als Tochter: eiskalt, perfektioniert und versteinert für das Patriarchat. Sie ist auch eine Mutter, die wiederum ihre zwei Kinder mit sich in den Tod im Leben zieht." In einem Finanzierungsantrag zu Johnny Panic: "Plath selber nannte ihre Erzählung Johnny Panic ‚queer‘. Der Film nimmt die starke Hauptperson als Identifikationsfigur. Plath hat sich selbst neu erfunden in der Figur der medizinischen Sekretärin, die nach der Arbeit als nächtlicher Geist durch die Akten einer Nervenheilanstalt streift. Beeindruckt von Lady Lazarus (1991) haben Olwyn Hughes und Faber die Genehmigung gegeben, Plaths autobiografische Erzählung Johnny Panic, sowie Fotos und verwandte Gedichte/Teile von The Bell Jar zu benutzen. Durch den Einsatz von Filmbildmanipulationen, zum Beispiel Rückprojektion auf die Wände einer hohen Glaskuppel, gelangen Geschichte und Spuren ihres Lebens buchstäblich über den Äther zu uns."(Sandra Lahire 1998)
Der mittlere Film des Programms Mirrored Measures (1996) ist ein Außenseiter; mein minimalster Film, und als solcher vielleicht eine Atempause vom Ansturm auf die Wahrnehmung. Obwohl reduziert und anscheinend geordnet rührt dieser Film gleichwohl behutsam an Angst vor Krankheit, verdeckten Schmerz, dort, wo Ordnung erwartet, liegen darunter Chaos und Agonie – unterdrückte Wut. Der Gedanke an häuslichen Alkoholismus kommt auf – die Beziehung zu einer Mutter.
(Sarah Pucill – Übersetzung von Heide Schlüpmann und Karola Gramann)
Ein Programm in Zusammenarbeit mit der Kinothek Asta Nielsen. Kuratiert von Sarah Pucill (Filmauswahl) und Karola Gramann. Mit Dank an Sarah Pucill, LUX (London, Hanan Coumal) und Light Cone (Paris, Miguel Armas) für die Bereitstellung der Filmkopien. In Anwesenheit von Sarah Pucill und Karola Gramann.
Edge
R: Sandra Lahire, digital von 16mm, farbe, ton, 12 min, 1986
Mirrored Measure
R: Sarah Pucill, 16mm, s&w, ton, 10 min, 1996
Johnny Panic
R: Sandra Lahire, digital von 16mm, farbe, ton, 46 min, 2000