über uns
exf f. ist ein festival, das dem experimentellen film in seiner vielgestaltigkeit, seiner geschichte wie auch gegenwart, gewidmet ist. vier tage lang möchten wir einen begegnungsraum öffnen, in dem in gebündelter form verschiedene filmische arbeiten in ihren spezifischen medialitäten und materialitäten als eigenständige kunstform in den fokus gerückt werden. filme dieser art haben einen schwierigen stand. sie fügen sich weder in eine auf spiel- und dokumentarfilme konzentrierte filmlandschaft noch den gängigen logiken des kunstbetriebs, weshalb es nur wenig gelegenheiten gibt, sie als teil einer erweiterten, lebendigen kinokultur erfahren zu können. in unserem programm werden sowohl verschiedene analoge formate, von super 8 über 16mm und 35mm, als auch digitale produktionen und digitalisate restaurierter filme zu sehen sein.
ein großer dank geht an unsere förder:innen, die HessenFilm und Medien GmbH, das Kulturamt der Stadt Frankfurt, dem Instituto Cervantes Frankfurt und den AStA der Goethe-Universität Frankfurt, ohne deren unterstützung dieses festival nicht möglich ist.
Ende Juni dieses Jahres versammelten sich über hundert Filmemacher:innen, Programmgestalter:innen, Künstler:innen und Liebhaber:innen aus aller Welt auf einem kleinen Feld in der ländlichen Umgebung Griechenlands, um in vier Nächten von Sonnenuntergang bis ein oder zwei Uhr nachts, die jüngsten restaurierten Zyklen von Gregory J. Markopoulos' ENIAIOS zu sehen. Die diesjährige Veranstaltung war die 5. Ausgabe des sogenannten Temenos, den Markopoulos als "Raum der Eingebung" (“the intuition space”) bezeichnete.
Markopoulos ist der erste Name, der aus unserem diesjährigen Programm hervorsticht. Vielleicht ist kein anderer Filmemacher, sei es im alternativen oder "traditionellen" Kino, so sehr zum Mythos geworden wie das Wunderkind Markopoulos: Von seinem frühzeitigen Interesse am Filmemachen bis hin zu seinen ersten Filmen voller jugendlicher Begierde und homosexueller Erotik hätte Markopoulos eine Rimbaud-ähnliche Figur des Experimentalfilms werden können. Wie Rimbaud ließ er ein Leben hinter sich, das in den Vereinigten Staaten, wo er aufwuchs, aber anders als der französische Dichter gab er seine Kunst nicht auf: Zusammen mit seinem jungen Lebensgefährten, dem Filmemacher Robert Beavers, dem wir im vergangenen Jahr eine Retrospektive gewidmet haben, setzte Markopoulos sein Filmschaffen fort, während er in Europa ein Nomadenleben führte. In den Jahren seit seinem Tod 1992 hat sich die mythische Aura, die seine Person und seine Filme umgibt, noch verstärkt – während die Filme aus bestimmten Gründen weitgehend ungesehen geblieben sind. In Anlehnung an das diesjährige Temenos-Treffen freuen wir uns, vier Programme mit Werken aus allen Schaffensperioden von Markopoulos zeigen zu können, die in Zusammenarbeit mit Robert Beavers und Francisco Algarín Navarro zusammengestellt wurden, darunter eine sehr seltene Vorführung von Filmen aus dem ENIAIOS-Zyklus.
Die zweite Hommage ist einer Person gewidmet, die nichts von Markopoulos' überschattender Aura hat: Die Filme der französischen Filmemacherin Marcelle Thirache sind (ebenfalls) in den letzten dreißig Jahren kaum gezeigt worden, aber tauchen weder, anders als bei Markopoulos, in den etablierten Publikationen noch in den meisten Diskussionen über große experimentelle Werke auf. Umso wichtiger war es für uns, diese beiden Programme zusammenzustellen, um dem Frankfurter Publikum ein Filmwerk zu präsentieren, das eine "kleine Form" in dem Sinne ist, dass in Thiraches subjektivem Universum eine einzige Einstellung einen Raum unbegrenzter Möglichkeiten eröffnet. Ihre akribisch studierten Filme sind sorgfältig komponierte Gedichte über das weibliche Ich und das lesbische Begehren – sie sind Hymnen, die das reine Vergnügen einfangen, die Welt mit den Augen von Anderen zu sehen. Wir freuen uns sehr, dass Miguel Armas vom Pariser Light Cone Archiv nach Frankfurt kommen wird, um über Thiraches Filme zu sprechen.
Homosexualität und queeres Begehren sind ebenfalls in unserem diesjährigen frankfurter formen-Programm von zentraler Bedeutung, das dem weitgehend unbekannt gebliebenen Städelschüler Thomas Feldmann gewidmet ist, der in Frankfurt legendäre Schwulenfilmabende im Berger Kino veranstaltete und 1985 mit nur 27 Jahren Opfer der Aids-Epidemie wurde. Das Programm haben Karola Gramann und Heide Schlüpmann gemeinsam mit der Filmemacherin Regine Steenbock zusammengestellt, die für das Screening anwesend sein wird.
Eine weitere großartige Kooperation ist das Programm des Alternativen Filmarchivs Belgrad, das vom Filmkollektiv Frankfurt initiiert wurde. Archivkurator Ivan Velisavljević wird in drei Programmen Filme aus einem Zeitraum von über 60 Jahren präsentieren und Einblicke in die durch historische Umstände erschütterten Bewegungen des experimentellen Filmschaffens in (Post-)Jugoslawien geben. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf den jüngeren Arbeiten von Milan Milosavljević, den wir ebenfalls als Gast begrüßen dürfen.
Wir freuen uns außerdem sehr, dass Valentina Alvarado Matos und Elena Duque unserer Einladung gefolgt sind und ein Programm für unsere Eröffnung gestalten werden. Ihr in mehreren Teilen konzipiertes Programm wird Performances mit Super 8- und 16mm-Filmen kombinieren. Durch ihre gemeinsame Vorliebe für die Collage als künstlerische Praxis treten ihre Werke in einen Dialog, in dem Farben, Formen und Gesten miteinander korrespondieren und einen Raum für Reflexionen eröffnen: Reflexionen über die jeweiligen Biografien der Künstlerinnen und Reflexionen über das Kino als Werkzeug für plastische Interventionen.
Die in Chile geborene und in der Schweiz lebende Jeannette Muñoz war bereits in unserer ersten Festivalausgabe mit ihrem Film Strata of Natural History vertreten. Drei Jahre später werden wir sie endlich in Frankfurt begrüßen können, um eine Auswahl ihrer Werke in einem eigenen Programm vorzustellen. Wie viele der Filmemacher:innen der diesjährigen Ausgabe konzipiert Muñoz ihre Filme in Zyklen oder Serien, wie auch Puchancaví und Envíos, von denen wir jeweils Teile zeigen werden.
Diese Vorliebe, den einzelnen Film als Teil einer größeren Konstellation zu begreifen, gilt auch für das Filmschaffen von Velu Viswanadhan. Der in Indien geborene, aber seit den 1960er Jahren in Paris lebende Viswanadhan ist ein international gefeierter Maler, doch seine Arbeit als Filmemacher wurde bisher weitgehend ignoriert. Das zweiteilige Programm, welches von Arindam Sen kuratiert und vorgestellt wird, zeigt Viswanadhan als einen der großen Künstler, die ihre Kamera nicht als Werkzeug zum Analysieren, Sezieren und Beherrschen, sondern zum Aufzeichnen und Umarmen der Welt einsetzen. Durch Viswanadhans Verweigerung des ethnografischen Blicks wird er zu einem der wichtigsten postkolonialen Filmemacher, der die Welt und ihre Phänomene so aufzeichnet, wie sie sich vor seinen Augen entfalten.
Der US-Amerikaner Paul Sharits, mit dem wir unser Festival beschließen, hat hingegen wie kein anderer Filmemacher seiner Generation das Filmemachen als ein Werkzeug begriffen, das die Psyche des Zuschauers direkt verändert. Sharits zerlegt das Kino in seine Kernelemente, das Fotogramm und die Abspulbewegung des Projektors, die Dunkelheit und das Licht, um die Grenzen der menschlichen Wahrnehmung zu erweitern.
Abschließend möchten wir uns bei allen Filmemacher:innen, Archiven, Veranstaltungsorten und denjenigen bedanken, mit denen wir zusammengearbeitet haben, um die diesjährige Ausgabe von exf f. zu ermöglichen: Dem gesamten Pupille-Team, Natascha Gikas und Andreas Beilharz vom DFF, Svetlana Svyatskaya vom Filmkollektiv Frankfurt und Ivan Velisavljević, Karola Gramann, Heide Schlüpmann und Regine Steenbock, Miguel Armas, Arindam Sen, Robert Beavers und Francisco Algarín Navarro sowie allen helfenden Händen, die das Festival unterstützen. Ebenso danken wir Julia Rosenstock für die Gestaltung des Katalogs, Luisa Mielke für die Flyer und Plakate sowie Simon Bugert für die Website.
wer auf dem laufenden bleiben möchte, kann sich auf unsere mailingliste eintragen lassen: exff.filmtage@gmail.com
martin klein, larissa krampert, björn schmitt